Entlang der Anden im mittleren und nördlichen Argentinien 24.5.2012 bis 4.7.2012

5 Wochen waren wir in der Schweiz, und durften am 3. Mai den 90. Geburtstag mit Peters Vater feiern. Ein wunderbares Fest mit vielen Gästen.


Am 22. Mai brechen wir wieder auf ins argentinische San Carlos de Bariloche, wo unser Reisemobil auf dem Grundstück von Bruno, dem Präsidenten des dortigen Schweizerclubs, auf uns wartet. Während wir Bahnfahrt, 13 stündigen Flug und zuletzt 19 stündige Busfahrt unbeschadet überstehen, erleidet unser Rollstuhl beim Flug erheblichen Schaden. Er war wohl im Gepäckraum des Flugzeuges unsachgemäss versorgt. Wir haben zwar bei der Übernahme gemerkt, dass etwas nicht stimmt, schenkten  dem aber zu wenig Beachtung. Erst am nächsten Tag bricht dann das gerissene Rohr ganz und wir können den Rollstuhl nicht mehr brauchen. Zum Glück geschieht es unmittelbar neben dem Auto unseres Gastgebers Bruno in Bariloche. Um beim Flughafen zu reklamieren ist es zu spät. Bruno hat natürlich die richtigen Beziehungen und so kann er rasch jemanden ausfindig machen, der des gebrochene Aluminiumrohr fachgerecht schweisst.  Für den Duro haben wir Ersatzteile mitgenommen, die uns der Schwiegersohn von Bruno, ein Automechaniker, einbaut. So sind wir drei Tage nach der Ankunft wieder rundum fahrfähig und reisen am Pfingstsonntag mit unserem Reisemobil in Argentinien weiter.


Hier noch die Angaben zur Hochzeit kurz vor unserer Abreise, wie im letzten Bericht versprochen. Frieda, eine Bekannte aus Schwyz, wusste von unserer Südamerikareise. Da ihr Sohn in Bariloche heiratetet, war sie zum ersten Mal in ihrem Leben in Argentinien. Auf unserer Webseite sah sie, dass wir zufällig in der Gegend von Bariloche waren und meldete sich bei uns. Unkompliziert wie Argentinier, lud uns der aus Schwyz stammende Domini deshalb kurzfristig zu seiner Hochzeit ein.


Unser erstes Ziel ist die Stadt Zapala. Nicht weil sie besonders sehenswert ist, sondern weil wir dort zwei Freunde aus Österreich treffen, die schon seit 2009 mit ihrem Landrover in Südamerika herumreisen. Wir haben sie zu Beginn unserer Reise auf der Halbinsel Valdes kennen gelernt. Das Wetter ist kalt und regnerisch. So sitzen wir über einen Tag in unserem Duro und geniessen die Wärme unserer Heizung und die Wärme und Herzlichkeit, die die beiden ausstrahlen. Natürlich tauschen wir viele Reise- und Lebenserfahrungen aus und bekommen wertvolle Tipps für unsere Weiterreise.


Unsere Fahrt geht nordwärts nach Malargüe. In der weiten Ebene gibt es ausser ein paar dürren Grashalmen und kleinen Büschen kaum etwas. Plötzlich tauchen aber in Distanzen von 1.5 km eigenartige Gebilde mit Antennen auf. Im „Observatorio Pierre Auger“ erfahren wir, dass es sich um Detektoren für kosmische Strahlung handelt. Auf einer Fläche von 3000 km² sind 1600 solche Bauten. Jeder enthält 12000 Liter reinstes Wasser und Fotodetektoren. An einem Vortrag erzählt uns ein brasilianischer Wissenschaftler wie die Anlage funktioniert und dass es sich um ein internationales Forschungsprojekt handelt.


Vor San Rafael gibt es dank dem Stausee und den Kraftwerken eine Strasse durch das sehr schöne Tal des Rio Atuel. Mehrere 100m tief, hat sich der Fluss in den Felsen eingefressen und prachtvolle Farben und Strukturen hinterlassen. In völliger Einsamkeit verbringen wir hier eine Nacht. Die Sonnenstrahlen kommen erst gegen Mittag in den Grund der Schlucht, als wir wieder weiterfahren.


Von Mendoza haben wir zwei Adressen von anderen Reisenden. An der ersten können wir unsere vor kurzem leer gewordene Gasflasche mit Hilfe des USA Adapters, denn wir dabei haben, problemlos auffüllen. 5 Monate hat eine Füllung Gas gereicht, mit dem uns Margrit täglich etwas Feines zubereitet. Die Hauptmahlzeit essen wir nur ganz selten auswärts. Die zweite Adresse bringt uns in eine Autowerkstatt. Trotz kürzlichem Ersatz der Radialdichtung, verlieren wir noch immer Öl am rechten Vorderrad. Zudem beunruhigen uns die Kühlwassertropfen unten und an den Seiten des Motorblocks. Claudio, der Inhaber der Werkstatt spricht sehr gut englisch. Er und seine 3 Arbeiter kümmern sich noch gleichen tags um unsere Probleme. Wir haben Glück, wir kommen gerade noch durch das Eingangstor, aber wir fahren vorsichtig hinein, den es bleibt oben keine 5cm Freiraum. Zwar schliesst die Werkstatt erst um 21 Uhr, aber noch ist nicht alles repariert. Kurzerhand fragen wir, ob wir in unserem Fahrzeug in der Werkstatt auch übernachten dürfen. Selbstverständlich meint Claudio und so verbringen wir sicher, mitten in Mendoza, die  Nacht in der Werkstatt mit Toilette, Wasser, Strom und Zugang zum Internet. Zu der einen kommen dann noch weitere Nächte dazu, da sich die Reparaturen als aufwändiger erweisen als erwartet und der kaum sichtbare Riss in der Radnabe, die Ursache des Ölverlustes, auswärts geschweisst werden muss. Erneut haben wir es mit freundlichen und sehr hilfsbereiten Menschen zu tun. Einer der Mechaniker hat besondere Freude an unserem Fahrzeug. Er heisst nämlich Bucher, der Markenname unseres Duro. Anzumerken bleibt noch, wie gut sich Claudio Ersatzteile beschaffen kann. So wusste er, das unser Motor in lokal verbreiteten Pickups drin ist und kommt so zu den notwendigen Dichtungen, genauso wie zu einem  Radialdichtring beim Rad, den wir extra aus der Schweiz mitgenommen hatten. Wir bezahlten in der Schweiz dafür Fr. 80.-, in Argentinien bekommen wir ihn für 100 Pesos (Fr. 20.-)


Bei 22 Grad verlassen wir das auf 800m Höhe liegende Mendoza. Auf vielen Serpentinen bringt uns die meist gute Schotterstrasse auf die 2970m hohe Passhöhe des Paramillos. Unser bisher höchster Pass. Wir fahren noch weiter hinauf bis zur Sendestation auf 3150m. Eine Strasse über den Pass wurde bereits im 16. Jahrhundert gebaut. Es war der einzige verfügbare Weg nach Chile, den auch San Martin mit seiner Armee benutzte. Zudem  gab es in diesem Gebiet Minen, in denen Gold, Silber und Mineralien abgebaut wurden. 1835 überquerte auch Charles Darwin, wohl weniger bequem als wir, den Pass. Auf der anderen Seite des Passes kommen wir in eine riesige Hochebene auf 1900m.  Auf ihr fahren wir von Uspallata aus  Richtung Norden zum Nationalpark El Leoncito, vor Calingasta. Neben der Natur gibt es hier auch eine ganze Reihe Teleskope für die Astronomie. Die  Gegend ist besonders geeignet für solche Einrichtungen. 270 bis 300 Nächte pro Jahr sind hier wolkenfrei. Zudem ist es ziemlich windstill, es hat nur eine geringe Luftfeuchtigkeit und ist weit weg von menschlichen Ansiedlungen, die mit ihren Lichtern den Nachthimmel stören. Zwei Teleskope können wir besichtigen auf 2552 m.ü.M. Ein moderneres Reflexionsteleskop dessen erster Spiegel einen Durchmesser von 215cm hat und ein älteres aus den 60er Jahren. Gefunden hat man damit z.B. den Asteroiden 1950DA. Der hat einen Durchmesser von etwa 1.2 km und befindet sich auf Kollisionskurs mit der Erde. Bis er sie erreicht, dauert es noch lange, nämlich bis zum 16. März 2880. Die Wahrscheinlichkeit die Erde zu treffen und damit ein riesiges Desaster anzurichten, beträgt 1:300. Viel wahrscheinlicher ist, dass er in einer Distanz von 288'000km an der Erde vorbeifliegen wird. Das ist aber immerhin um einiges näher als unser Mond seine Bahn zieht. 


Eine Woche nach der Reparatur müssen wir feststellen, dass die neue Dichtung die Erwartungen nicht erfüllt und erneut beim Motor Kühlwasser austritt. Also fahren nochmals 180km zurück nach Mendoza, wo sich unser Mechaniker Claudio erneut um das Problem kümmert. Die eingesetzten Dichtungen scheinen nicht optimal zu sein und so beschafft er sich andere. Wiederum übernachten wir  während fast einer Woche in der Werkstatt. Am Montag 18. Juni erwachen wir um 05:29 Uhr, weil unser Fahrzeug schaukelt. Das ist eigentlich nicht ungewöhnlich, da oft der Wind etwas an unserem Häuschen rüttelt. Aber in der Werkstatt? Es handelt sich um ein leichtes Erdbeben, dessen Epizentrum genau in Mendoza ist und, wie wir nachher in der Zeitung lesen, die Stärke 5.4 hat. Ausser einigen Stromausfällen und Rissen in Mauern, gibt es keine Schäden. Zwei weitere unserer technischen Hilfsmittel funktionierten schon vor dem Erdbeben nicht mehr. Unsere Armbanduhren. Margrits Uhr läuft zu langsam und Peters Uhr läuft rückwärts (!) genau 24 Stunden in einem Tag. Keine Ahnung was sie damit  anzeigen will. Gerne nehmen wir Erklärungsversuche von dir lieber Leser, entgegen.


Die neue Dichtung bringt es. Das zeigen uns die ausgiebigen Testfahrten. Obwohl die Mechaniker mehrere Tage an unserem Fahrzeug gearbeitet haben, fällt die Rechnung sehr bescheiden aus. Entsprechend sind die Löhne der Mechaniker. Während der Zeit in der Werkstatt kommen wir auch immer mal wieder mit ihnen ins Gespräch. Sie sagen uns, was ein Fahrzeug wie unseres in Argentinien kosten würde. Wesentlich mehr als in der Schweiz. Für einen Normalverdienenden unbezahlbar. Das ist auch die Erklärung, warum wir auf unserer Reise in Argentinien fast nur ausländische und kaum argentinische Wohnmobile gesehen haben.


Bei stets sonnigem Wetter mit Nachmittagstemperaturen zwischen 15 und 20 Grad, fahren wir von Mendoza aus wieder nordwärts und erreichen nach 3 Tagen unser nächstes Ziel, Chilecito in der Provinz La Rioja. Da steht eine der wichtigsten technischen Sehenswürdigkeiten Argentiniens, die ein Stück Industrie- und Minengeschichte zeigt. Die Luftseilbahn „Cable Carril“. Die Bahn diente von 1903 bis 1926 dem Transport von täglich 400 Tonnen Erz von der Mine La Mejicana auf 4415m in den auf 1100m liegenden Ort Chilecito. 34 km lang ist die Luftseilbahn, für deren Bau 1903 bis 1904, 1600 Leute beschäftigt waren. 90 Esel und 600 Maultiere trugen das Material wie 262 Masten und Dampfmaschinen in die 8 Zwischenstationen. Heute stehen noch teilweise gut erhaltene Überreste der Anlage, die wir ausgiebig besichtigen. Selbst die Überreste der obersten Station auf 4603m wollen wir uns ansehen. Bei der Polizei erfahren wir, dass die Strasse dorthin zur Zeit passierbar sei, oben herrschten aber eisige Temperaturen. Wichtig sei ein 4x4 Fahrzeuge mit ausreichend Bodenfreiheit und Geländegang. Zudem brauche man ab der letzten Ortschaft für die 34km etwa 4 Stunden für einen Weg, dazwischen gebe es nichts. Da haben wir genau das richtige Fahrzeug. Zum ersten Mal kommen wir in so grosse Höhen. Um Problemen mit der Höhenkrankheit vorzubeugen, fahren wir am ersten Tag nicht ganz hinauf und übernachten auf einem Plateau, bevor wir 3000m erreicht haben. Die Weiterfahrt zeigt bald, die Strassenverhältnisse sind nicht einfach. Die Strasse dringt oft weit ins Hoheitsgebiet des Baches ein. Aber der weiss sich zu wehren. Zunächst  überdeckt er  längere Strassenabschnitte mit lockeren Sandschichten.  Weiter oben hat der Bach grosse Steine in den Weg gelegt und wir müssen zwischen ihnen und tiefen Furchen hindurch manövrieren. Schlussendlich zieht der Bach seine Trumpfkarte. Über ein längeres Stück „Strasse“ hat er eine dicke Eisschicht gelegt. An den Spuren erkennen wir, dass hier kürzlich jemand umgekehrt ist. Wie können wir prüfen ob ob die Eisschicht uns trägt? Zunächst einmal mit den Vorderräder drauf fahren – hält. Dann das ganze Fahrzeug aufs Eis – hält. Jetzt entscheiden wir, zügig durchzufahren. Sollten wir einbrechen, dann versuchen den Schwung zu behalten und weiter zu kommen. Sonst wäre längeres Schaufeln und Pickeln angesagt.  Nach etwa 100m Eisfläche  die wir mit teilweise durchdrehenden Rädern meistern, passiert es dann doch. Das linke Hinterrad bricht im Eis ein. Es holpert. Aber mit etwas mehr Gas, kommt das Rad rasch wieder auf die Eisfläche und wir erreichen das rettende Geröll. Mit erhöhtem Puls atmen wir auf. Die restlichen 500 Höhenmeter geht unser Weg weit oberhalb des Baches, bis auf  über 4000m, selbst zur jetzigen Winterszeit, schnee- und eisfrei. So erreichen wir voller Freude über das gelungene Abenteuer die oberste Station der Luftseilbahn und kommen zu den Eingängen der Mine. Verwundert stellen wir fest, wie viel Aufwand hier getrieben wurde, um zu den begehrten Metallen Kupfer, Silber und Gold zu kommen. Bei der Rückfahrt ist die Eispassage weicher geworden, da die strahlende Sonne den „Widerstand“ des Baches etwas gebrochen hat. Erneut schafft unser Duro die Durchfahrt ohne Schaden. Wir hinterlassen aber tiefe Spuren.


Weiter nördlich treffen wir kurz vor Belén auf Spuren der Incas. Volk und Kultur war in weiten Teilen Südamerikas verbreitet, und vermochte bis 1532 den spanischen Eroberern zu widerstehen. Dank den Ausgrabungen lässt sich heute nachvollziehen, wie deren Leben war. Von Cafayate nach Salta fahren wir durch das Tal des Rio de las Conchas. Eine wunderbare Landschaft haben hier Eis und Wasser in tausenden von Jahren entstehen lassen.

 

Am 2. Juli erreichen wir die 450 -tausend Einwohner zählende Stadt Salta. Sie begrüsst uns mit strahlendem Sonnenschein und 24 Grad. Zum einen treffen wir hier Ernst und Susanne, zwei andere Schweizer mit Reisemobil, die wir im Januar in Feuerland kennen gelernt haben. Zum anderen muss Peter erneut einen Zahnarzt aufsuchen. Der abgebrochene Zahn ist aber nach anderthalb Stunden Behandlung mit einer Füllung versehen und das Zahnarzthonorar fällt mit 200 Pesos (sFr. 42.-) recht bescheiden aus. 


Wir werden in den nächsten Tagen Argentinien für längere Zeit verlassen und über einen der mehr als 4000m hohen Andenpässe zunächst nach Chile und dann weiter nach Bolivien fahren.