Reise mit dem Schiff von Hamburg nach Buenos Aires, 20.10 bis 22.11.2011

Am 12. Oktober 2011 kommen unsere letzten Abschiede in er Schweiz. Voll beladen verlassen wir Beat und Marie-Theres, bei denen wir seit dem Auszug aus unserer Wohnung Ende August wohnen durften. Unser erster Halt ist im Altersheim Eschlikon. Dort verbringen wir noch die letzten Stunden bei Peters Vater. Am späteren Nachmittag verlassen wir die Schweiz endgültig Richtung Deutschland. Wir haben einen Tag in Görwyhl eingeplant, um letzte Anpassungsarbeiten an unserem Reisemobil Duro machen zu lassen. Alles klappt und wir haben noch Zeit für Besuche, bei weiteren (Reise-)Bekannten auf unserem Weg nach Hamburg. In der Nähe von Bonn entdecken wir einen frisch aufgetretenen Haarriss am Reserve-Dieseltank. In einer Reisemobilwerkstatt lassen wir die Aluminiumnaht umgehend neu schweissen und kommen ohne Eile zwei Tage vor dem Abfahrtstermin des Schiffes in Hamburg an. Mitten in der Stadt, 200 Meter von einer S-Bahn Station entfernt, finden wir mit dem  „Wohnmobilhafen Hamburg Hammerbrook“ einen guten Stellplatz, wo wir unser Reisemobil tagsüber stehen lassen und nachts zum Schlafen benutzen können. So bietet sich uns noch Gelegenheit, das Miniatur Wunderland und andere Sehenswürdigkeiten Hamburgs zu besuchen.

Am Donnerstag 20. Oktober finden wir nach etwas Suchen rechtzeitig die Zufahrt zu unserem Schiff, der "Grande Buenos Aires" von Grimaldi. Die von unserem Agenten angegebene Adresse stimmt nicht mehr, da der Hamburger Hafen an der Stelle umgebaut wurde und die richtigen Beschriftungen noch nicht nachgeführt und ausgeschildert sind.

Zunächst dürfen wir schon mal ohne Fahrzeug auf das Schiff. Unser Rollstuhl erweckt bei der Mannschaft etwas Argwohn und der Kapitän des Schiffes wird gerufen. Irritiert aber freundlich erklärt er Peter, das gehe nicht und wir könnten nicht mitreisen. Zum Glück sind wir darauf vorbereitet und unterbreiten ihm ein von unserem Hausarzt unterschriebenes "Zertifikat", das bestätigt, dass wir schon einmal eine Reise mit einem Frachtschiff gemacht haben und es keinen medizinischen Bedenken gegen eine solche Reise gebe. Dasselbe Schreiben hatten wir schon bei der Buchung der Reederei Grimaldi zugestellt. Der Kapitän zieht sich zur Beratung zurück und lässt uns provisorisch in den Aufenthaltsraum im Schiff. Da begrüsst uns ganz freundlich Pio, unser italienischer Stewart. Sogleich bietet er uns Essen und Trinken an. Nach einer Weile kommt der Bescheid, wir könnten mitfahren und unsere Kabine jetzt beziehen.

Neben uns kommen im Laufe des Tages weitere 5 deutsche Passagiere, die ihre Fahrzeuge ebenfalls noch beim Hafeneingang stehen lassen müssen. Erst kurz vor 23 Uhr holt uns einer der Schiffsoffiziere um die Reisemobile ins Schiff zu fahren. Einfahrt ist über die Rampe in der 3.Etage. Parken können wir die Fahrzeuge in der 6. Etage, gerade beim Aufgang zu unseren Kabinen, die in der 12. Etage sind. 

Knapp einen Tag brauchen wir für die Überfahrt nach dem englischen Tilbury. Hier wird weitere Ladung aufgenommen. Geladen wird alles Mögliche: Autos, Lastwagen, Baumaschinen, Traktoren, Mähdrescher, Boote bzw. Yachten und sogar ein Helikopter mit demontierten Rotoren. Da wir 2 Tage im Hafen liegen, nutzen wir die Zeit für einen Ausflug nach London. Am 24. Oktober geht es weiter nach Antwerpen, wo wir weitere 2½ Tage brauchen um Fahrzeuge aufzunehmen. Nach einem weiteren Tag auf See kommen wir zu unserem letzten Hafen in Europa, Le Havre. Da kommen, neben jeder Menge vorwiegend alter Autos, noch die letzten 4 Passagiere dazu, Franzosen mit einem Landrover und einem Wohnmobil. Voll beladen verlassen wir am Freitag 29. Oktober, Le Havre. Der Erste Offizier erlaubt uns einen Blick in die Ladungsliste. Geladen sind 2300 Einheiten. Eine Einheit kann sowohl ein PW als auch Lastwagen oder Helikopter sein. PKWs hat es 828 Stück. Wohnmobile sind 11, davon gehören 6 uns Passagieren. 

Etwa 100km westlich der Spanisch/Portugiesischen Küste fahren wir südwärts Richtung Afrika. Da ist unser erster Halt in Dakar, Senegal. Bei Temperaturen über 30 Grad gewöhnen wir uns schnell an den uns bevorstehenden Sommer. In Dakar werden die in Europa nicht mehr gebrauchten Autos ausgeladen. Dabei geht das grösstenteils afrikanische Hafenpersonal recht unzimperlich mit den Autos um. Springt ein Auto nicht an oder soll es nur ein kurzes Stück verschoben werden, stösst man es einfach mit einem anderen Auto weg. Dass dabei Beulen entstehen, Kunststoffteile und  Gläser brechen, scheint egal zu sein. Um Autos auch mal über eine Schwelle zu schieben, steht ein eigens dafür gebauter "Pusher", ähnlich einem kleinen Traktor zur Verfügung. Im Hafen stehen jede Menge Leute herum, die Arbeiten laufen aber sehr chaotisch ab. Das Abladen dauert über 24 Stunden. So bleibt uns Zeit von Bord zu gehen und uns in der afrikanischen Stadt umzusehen. Schon beim Hafenausgang werden wir von Händlern und "Stadtführern" bedrängt, die uns ihre Ware und Dienstleistungen sehr aufdringlich anbieten. Mit klaren "no, non, nein" entkommen wir vorerst unseren "Freunden", wie sie sich selbst nennen. Es gibt zwar Trottoirs, die sind aber für uns mit dem Rollstuhl unpassierbar. Zum einen stehen oder liegen da viele Leute, zum anderen sind sie immer wieder mit Gegenständen versperrt, von Löchern durchsetzt oder schlicht mit abgebrochenen Treppenstufen versehen. So laufen wir auf der Strasse Richtung Marktplatz, als uns wieder ein Afrikaner in sehr gutem Englisch anspricht und fragt ob wir ihn wieder erkennen würden. Er  habe vorher auf unserem Schiff beim Abladen geholfen. Er hätte jetzt gerade Pause und zeige uns gerne die Sehenswürdigkeiten der Stadt. Wir sind zurückhaltend, lassen ihn aber schliesslich vorausgehen. Er führt uns nach unseren Wünschen durch die Stadt und weiss viel über die einzelnen Plätze und das Leben in Senegal zu berichten. Als er erfährt, dass wir aus der Schweiz kommen, ist er erfreut und berichtet, einer seiner Brüder hätte in Zürich studiert. Was für ein Zufall denken wir, zweifeln aber doch etwas, ob die Geschichte stimme. In einem Krämerladen würden wir gerne ein paar Guetzli kaufen um sie den anderen Passagieren aufs Schiff mitzubringen. Da wir kein Geld in Lokalwährung (Franc CFA) haben, führt uns unser Begleiter sogleich in eine Wechselstube. Dort wollen wir einen 10$ Schein umtauschen. Geboten werden uns dafür 2241 CFA - viel zu wenig. Der Kurswert läge bei 4800 CFA. Wir lehnen ab und verlassen die Wechselstube ohne Erfolg. Kurze Zeit später wollen wir uns von unserem Begleiter trennen. Nun zeigt er sein wahres Gesicht. Er erzählt, seine kranken Kinder bräuchten Malaria Medikamente und wir möchten ihm Geld geben um sie zu kaufen. Wir sollen ihm einfach unsere Geldbeutel geben, er würde dann den Rest mit aufs Schiff bringen. Eigentlich hätten wir unserem Begleiter freiwillig gerne etwas gegeben. Da er uns aber anlügt und es nun mit seiner Freundlichkeit vorbei ist, nimmt unsere Spendierfreudigkeit rasch ab. Schliesslich geben wir ihm etwas Kleingeld und unsere Wege trennen sich. Unser erster Kontakt mit Dakar bleibt uns trotzdem in guter Erinnerung.

Während unser Schiff in den Häfen von Afrika ist, bewachen wir Passagiere unsere Fahrzeuge rund um die Uhr. Von früheren Reisenden haben wir gehört, dass es immer wieder vorkomme dass jemand ins Schiff eindringe und Fahrzeuge aufbreche. Die Bewachung klappt problemlos und es gibt auch nie eine kritische Situation. Wer keine Wache hat, nutzt die Gelegenheit über offene WLANs vom Schiff aus das Internet zu benutzen. Nach 2 Tagen Dakar geht es zum nächsten afrikanischen Hafen nach Freetown in Sierra Leone. Hier können wir das Schiff nicht verlassen. Nach einem Tag be- und entladen, kommt die Überfahrt nach Südamerika. Vom 9. bis 15. November 2011 sind wir nun auf hoher See,die sich von einer recht ruhigen Seite zeigt. Höher als 3-4m sind die Wellen nie. Wir begegnen kaum anderen Schiffen, sehen einzig hie und da fliegende Fische und Delphine aus dem Wasser springen. Auf dem Schiff  haben Mannschaft und Offiziere nun mehr Zeit um mit uns zu plaudern und uns auch die sonst nicht zugänglichen Teile des Schiffes wie Laderäume und den Schiffsmotor zu zeigen. Die Besatzung besteht aus Italienern und Indern. Da in Afrika alle Autos auf dem obersten Deck ausgeladen wurden, hat es da jetzt viel freien Platz und der Zugang zur Brücke ist auf diesem Weg auch für Peter problemlos möglich. So gelingt es uns nun, Kapitän und Offiziere besser kennen zu lernen. Sie geben uns bereitwillig Auskunft auf all unsere Fragen. Auch mit dem italienischen Koch können wir uns gut in Englisch unterhalten. Er ist schon seit über 40 Jahren auf See, weiss viel zu erzählen und zeigt uns Bilder auf seinem Computer. Auf allen Häfen kennt er sich aus und kann uns hilfreiche Tipps geben.  

Vitoria in Brasilien ist unser nächster Hafen. Wir nutzen die Liegezeit für einen weiteren Landausflug und erkunden die Stadt zu Fuss. Im Hafen ist alles gut organisiert und Hunderte von Neuwagen werden speditiv von unserem Schiff gefahren und auf Autotransporter geladen. Wir begegnen freundlichen Leuten die sich sehr bemühen unser schlechtes Spanisch zu verstehen. Für sie ist es auch eine Fremdsprache, denn in Brasilien spricht man Portugiesisch. Anschliessend fahren wir einen weiteren Tag entlang der Küste zum nächsten Hafen, Rio der Janeiro. Die Hafeneinfahrt dauert von 22 bis 24 Uhr. Vom obersten Deck, dem 13. Stockwerk unseres Schiffes, haben wir einen wunderbaren Ausblick auf die hell beleuchtete Stadt, in der 2014 die Fussball-WM und 2016 die Olympischen Spiele ausgetragen werden. Vorbei am 396m hohen Zuckerhut, der Copacabana und guter Sicht auf den 709m hohen Corcovado mit der Christus-Statue, kommen wir gemächlich zu Anlegeplatz im Norden der Stadt. Da wir bereits am Mittag des nächsten Tages weiterfahren, fällt für diesmal der Landgang aus. Das können wir einen Tag später im grössten Hafen Brasiliens, Santos, nachholen. Margrit würde gerne die 412 Treppenstufen auf den Monte Serrat hinaufgehen, aber die Zeit dazu reicht nicht, um noch rechtzeitig zur angekündigten Abfahrtszeit wieder auf unserem Schiff zu sein. Allerdings verzögert sich dann die Ausfahrt doch um 6 Stunden, aber nicht unseretwegen. Immer kommen noch weitere Lastwagen mit Containern und neue Personenwagen der Marke Fiat, sowie Liefer- und Lastwagen von VW, die auch noch aufs Schiff müssen. Bei Temperaturen um 20 Grad verlassen wir am 19. November Santos, mit einer wunderbaren Fahrt, die uns in 17 km aus dem Hafen rund um die Stadt hinaus zum Atlantik führt. Mit Einbruch der Dunkelheit, beginnt die Fahrt ins etwa 1800 km entferne Buenos Aires, unserem letzten Hafen wo wir 3 Tage später eintreffen.
Am Vormittag des 22. Novembers wird unser Schiff hier angebunden. Während das grosse Tor mit der Ausfahrtrampe geöffnet wird, gibt es im Motorraum des Schiffes eine grössere Panne. Bei einem der 4 Generatoren bersten zwei Kühlleitungen. Wegen unglücklicher Umstände gibt es Probleme mit der Synchronisation der übrigen Generatoren, wodurch alle überlastet werden und abschalten. Nichts geht mehr, alles dunkel. Nach wenigen Minuten gelingt es der Mannschaft, einen der Generatoren im Notbetrieb zu starten. Bei der Panne wurden wegen Überspannung zahlreiche elektronische Geräte auf dem Schiff zerstört.  Das Schiff wird nun wohl mehrere Tage im Hafen bleiben müssen, bis alles repariert ist. Für uns bedeutet es lediglich kaltes Mittagessen und ein paar Stunden Verspätung beim Ausschiffen. Dafür kommen wir zügig und problemlos durch den Zoll und finden Mitten in der Stadt, direkt am Meer, einen guten Stellplatz, wo wir mit unserem Fahrzeug ein paar Tage bleiben werden um die Stadt zu erkunden.
32 Tage verbrachten wir auf dem Schiff und haben dabei 16'316 km zurückgelegt. Nie war uns langweilig. Im Gegenteil, wir konnten längst nicht alle Bücher lesen die wir wollten und soviel Spanisch lernen wie wir sollten. Immer gab es etwas zu sehen in den Häfen oder auf Deck, mit  Blick auf das offene Meer oder zu vorbeiziehenden Städten und Landschaften. Der Koch und seine Gehilfen versorgten uns mit mehr als genug und feinem Essen. Meistens „Pasta“, Fisch oder Meeresfrüchte, Fleisch mit Gemüse und Frucht oder Kuchen zum Dessert. Mit den übrigen 9 Passagieren haben wir uns gut verstanden. Sehr zufrieden beenden wir so den ersten Teil unserer Reise. Jetzt müssen wir wieder selbst das Steuer übernehmen. Gespannt harren wir der Dinge, die uns in den nächsten Monaten in Argentinien und Chile erwarten.

Einige Angaben zum Schiff:Name:
Grande Buenos Aires
Flagge: Italienisch
Leergewicht: 27'492 t
Max. Ladung: 19'466 t
Länge: 214 m
Breite: 32.25 m
Verdrängung: 46092 t
Baujahr 2004
Querruder hinten und vorn je 1600kW
Hauptantrieb: 18280 kW, Drehzahl 118 RPM, Sulzer 8RTA62UB
Verbrauch pro Tag: 36'000 bis 50'000 Liter Schweröl