Im peruanischen Hochland 18.9. bis 27.10.2012


Die Dschungelstadt Puerto Maldonado begrüsst uns mit Temperaturen über 35 Grad. Auf den Hinweis eines Einwohners finden wir einen wunderbaren Platz für die Nacht, gratis, unter Bäumen, direkt vor der Küstenwache oberhalb des breiten Rio Madre de Dios. Dessen Wasser muss noch über 4500km zurücklegen, bis es mit dem Amazonas in den atlantischen Ozean mündet. Dabei sind wir lediglich auf 250 Meter über Meer!

Für die Weiterfahrt haben wir eine schlechte Urwaldpiste erwartet. Die Realität ist ganz anders. Die Strasse ist Teil der Interoceánica, einer Landverbindung vom Atlantik zum Pazifik. Seit Kurzem sind die 530 km bis Cusco durchgehend asphaltiert und mit vielen neuen Brücken versehen. Weniger erfreulich sind die dicken Rauchschwaden, die uns immer wieder begegnen. Kilometerweise wird Wald abgebrannt, zur Rodung der Urwaldfläche. Die abgebrannten Bäume und Sträucher sehen furchtbar aus und es riecht entsprechend. Die Leute hier sind schlauer als die Politiker in den Industriestaaten. Man rodet was das Zeug hält und bezieht nachher aus Europa Gelder für die Wiederaufforstung, finanziert aus Klimasteuern oder von den gutgläubigen Flugpassagieren aus den CO2 Kompensationszahlungen z.B. an Swiss Climate. Das bei der Brandrodung ausgestossene  CO2  geht nicht in die Ökobilanz ein, da sowohl Peru als auch Bolivien nicht unter die Regelung des Kioto bzw. dessen Nachfolge-Protokolle fallen.

Wir sind auf der neuen Strasse Richtung Cusco unterwegs. Es ist heiss. Die Aussentemperatur um 13 Uhr ist 37 Grad am Schatten. Wir machen an einem der raren Schattenplätze wo es ein wenig lüftelt, einen längeren Mittagshalt. Nach einer Weile kommen 2 Frauen mit einem Kind auf dem Motorrad und fragen uns, ob wir Ärzte seien. Offenbar sieht unser Auto aus, wie eine mobile Arztstation. Leider können wir dem kranken Kind nicht helfen. Später sehen wir ein mobiles Spital, ein gut umgebauter Lastwagen, auf einem Schulhausplatz stehen. Im kleinen Dorf Quincemil sehen wir, wie die Goldgräber den Fluss und die Ufer völlig umgegraben haben. Dem Thema Goldabbau werden wir später nochmals eindrücklich begegnen.

Bevor wir in die Touristenstadt Cusco fahren, verlassen wir die Asphaltstrasse und fahren über den 3900m hohen Huancarani-Pass, mit tollem Ausblick auf den 6236m hohen Eisriesen Nevada Ausangate. Unterwegs halten wir in einem kleinen Bergdorf an. Während Margrit Essen einkauft, entdeckt Peter, dass wir genau dort wo wir stehen, einen gute Wifi-Verbindung und damit Internet haben. Wir nutzen die Gelegenheit um Mails zu lesen und uns Informationen über das Geschehen in der Schweiz und er übrigen Welt zu beschaffen. Am Abend erreichen wir  das malerische Bergdorf Paucartambo, wo wir vor dem kleinen Spital einen schönen, ruhigen Übernachtungsplatz finden.

In Cusco treffen wir auf dem Camping „Quinta Lala“ auf ein Reisemobil aus Frankreich. Bald freunden wir uns mit Jean-Jacques und Martine an, und müssen neben unseren Spanisch- vor allem auf die Französischkenntnisse von Peter zurückgreifen. Die beiden sind durch Brasilien und die beiden Guyanas gereist,  ein Gebiet Südamerikas das wir wohl nicht bereisen werden. Natürlich gibt es viel zu erzählen und wir verbringen interessante Stunden zusammen. Tags darauf kommen zwei weitere Reisende dazu, der deutsche Mike und die schweizer-kolumbianerin Ana-Maria. Die beiden haben wir in La Paz kennen gelernt und wir freuen uns sehr über das Wiedersehen. So verbringen wir 6 Tage auf dem Camping in Cusco. An sich eine schöne Stadt, aber viel zu touristisch, im negativen Sinn. Die Museen sind, sofern überhaupt offen, grösstenteils enttäuschend und die Preise zu hoch. Ad absurdum wird das bei der Hauptattraktion, der Inkastadt Machupicchu geführt. Der Zugang kostet fast einen Monatslohn eines peruanischen Bauarbeiters. Das gehört in die Kategorie Korruption, die wir keinesfalls unterstützen. So sehen wir von einem Besuch aus Protest ab.

Erstmals auf unserer Reise begegnen uns in Peru korrupte Polizisten. Während der eine uns eine Busse anhängen will, fordert an anderer Stelle ein Polizist ganz einfach Geld, weil er Durst hätte. Wir bieten ihm Wasser an, verweigern aber jegliche Zahlung. Mürrisch lässt er uns schliesslich weiter fahren.

Zum Thema Strassenverkehr, wurden wir von anderen Reisenden bereits früher vor Peru gewarnt. Tatsächlich treffen wir hier auf die schlechtesten Auto-, oder vielmehr Bus- und Lastwagenfahrer die wir bisher auf unseren Reisen erlebt haben. Zunächst ist bereits die dauernde Huperei lästig. Gehupt wird beim Anhalten, Abfahren, Überholen, Abbiegen usw. Links blinken heisst primär einfach, die Lampe ist nicht defekt, aber keineswegs dass man links abbiegt. Man würde meinen, die vielen engen Strassen führten zu einer gewissen Voraussicht mit rechtzeitigem Ausweichen. Weit gefehlt! Man fährt (oft viel zu schnell) in der Strassenmitte und bremst im letzten Moment kräftig. Dann erst mal hupen. Rückwärts fahren können Lastwagenfahrer schlecht, Busfahrer gar nicht. Wir haben entsprechende Versuche gesehen, wo wir uns nur an den Kopf greifen konnten. Viele peruanische Lastwagenfahrer wissen nicht wo die Hinterräder ihrer Fahrzeuge durchfahren und schon gar nicht die Räder eines Anhängers. So kommt es dann zu den vielen Unfällen. Wir sehen, wie ein Lastwagen bei sehr breiter Strasse in einer zu eng gefahrenen Rechtskurve sich an der Felswand festfährt. Von uns nachfolgenden Leuten erfahren wir, dass ein Tanklastwagen eine in einer Kurve liegende Brücke so dumm befahren habe, dass die Hinterräder über die Brücke hinaus kamen. Glücklicherweise wurde der Tank von einem grossen Felsbrocken aufgehalten und das Tankfahrzeug fiel nicht in die Schlucht. Auch lief kein Treibstoff aus. Aber die Strasse war während Stunden blockiert. Die Stelle haben wir zuvor passiert, breite, problemlose Brücke. Im Stadtverkehr ist vor allem das unsinnige Drängeln sehr mühsam. Warum benehmen die sonst freundlichen Leute sich im Fahrzeug so aggressiv? Wirken sich aus dem Tierreich stammen Gene besonders aus oder ist die Ausbildung der Fahrzeuglenker so schlecht? Wir wissen es nicht. Selbstverständlich gibt es auch positive Ausnahmen, bei allen Kategorien von peruanischen Fahrern. Aber die fallen uns halt weniger auf.

Das peruanische Hochland gefällt uns gut und wir fahren deshalb in den Bergen weiter nordwärts. Mit  Ayacucho kommen wir in die Stadt, die in die neueste Geschichte von Peru eingehen wird. Der Philosophieprofessor Abimael Guzmán gründete hier, nachdem in Peru 12 Jahren Militärdiktatur herrschte, die maoistische Untergrundorganisation „Leuchtender Pfad“. Der damit beginnende Bürgerkrieg dauerte von 1980 bis 2000 und forderte über 69'000 Menschen das Leben, vorwiegend aus den ärmsten Bevölkerungsschichten des Landes. Im Erinnerungs-Museum „Es darf nie wieder geschehen“, gegründet von Familien der Opfer, erfahren wir sehr viel über den Konflikt und treffen eine Mutter, deren Sohn vom Militär festgenommen und seither verschwunden ist. Eine junge US-Amerikanerin führt uns durch das sehr gute Museum. So erfahren wir, wie es sowohl beim „leuchtenden Pfad“ als auch beim Militär eklatante Menschenrechtsverletzungen gab, die bis heute nicht verfolgt wurden. Die Organisation die das Museum betreibt, versucht seit Jahren, Verantwortliche zur Rechenschaft zu ziehen. Bei der gegenwärtigen peruanischen Justiz, ein schwieriges Unterfangen.

Kurz nach Huancayo, besuchen wir das Kloster „El Convento de Ocopa“. Es wurde 1725 von den Franziskaner - Mönchen als Missionsstandort gegründet. Bruder Jorge heisst uns herzlich willkommen und erlaubt uns, neben der Klosterkirche unser Nachtlager aufzuschlagen. Am nächsten Tag können wir nach einer kurzen Messe, an einer interessanten Führung durch das Kloster mit der wunderbaren Bibliothek teilnehmen.

Mehrere Stunden verbringen wir wartend vor Baustellen. Viele Strassen werden momentan repariert und ausgebaut. Oft kann man nur von 5-7, 12-14 und 18-20 Uhr durchfahren. So stur, wie wir das vor ein paar Wochen zwischen La Paz und Rurrenabaque erlebt haben, wird es aber nicht gehandhabt und manchmal kann man auch zwischendurch passieren. Im Dorf Cerro de Pasco kommen wir auf 4330m erstmals in Schneetreiben. Zwar bleibt die Strasse grösstenteils schneefrei, aber auf der Seite sehen wir, dass vor nicht allzu langer Zeit hier Schneepflüge am Werk waren.

Zwischen Huánuco und Huaraz besuchen wir Huánuco Pampa, die Ruinen einer Stadt der Incas auf einer Hochebene auf 3600m. Im Gegensatz zu Machupicchu hat es hier nur wenige Touristen. Dafür sind die Dinge besser beschriftet und das ganze ist in einer Ebene und damit mit dem Rollstuhl zu bewältigen. Bei den kurzen Treppen und starken Steigungen ist sofort hilfsbereites Personal zu Stelle.

Vor Huaraz verlassen wir die asphaltierte Strasse und fahren auf einer engen, holprigen Piste in den  Nationalpark Huascarán. Für die 40km benötigen wir 2 Stunden. Dabei kommen wir bis auf 4853m über Meer. Wir haben 2 Grad Aussentemperatur uns es schneit und wir sind von dickem Nebel umhüllt. Bei der Talfahrt lichten sich die Wolken und wir treffen auf eine sehr seltene Pflanze, Puya Raimondi. Es ist keine Ananas, gehört aber wie sie ebenfalls zur Familie der Bromelien. Sie ist nur noch an ganz wenigen Stellen im Hochland der Anden anzutreffen, zwischen 3700 und 4200 m.ü.M. Wir sehen sogar eine Pflanze in Blüte, eine grosse Rarität. Die Pflanze wird bis zu 12m hoch und kann bis zu 100 Jahre alt werden. Dann blüht sie ein Mal in ihrem Leben und stirbt  ab. Da wir lieber etwas tiefer als auf 4100m übernachten, wollen wir den Nationalpark am Abend wieder verlassen. Aber der Wärter freut sich, wenn wir bleiben und bietet uns sogar seine Küche zum Kochen an. Es hat Toilette mit Wasser. So übernachten wir auf einem grossen freien Platz beim Parkausgang, bei Temperaturen am Abend um die 7 Grad. Wir bereuen es nicht. Ab nächsten Tag herrscht strahlender Sonnenschein und wir kehren nochmals in den Nationalpark zurück.

In Huaraz entscheiden wir uns, zunächst an die Küste hinunter zu fahren und dann erst etwa 200km weiter nördlich wieder ins peruanische Hochland aufzusteigen. Diese Route führt uns zunächst zum Ort Yungay am Fusse eines mächtigen Berges. Die Lage wurde dem Ort zum Verhängnis. 1970 löste ein Erdbeben einen riesigen Bergrutsch aus und begrub den Ort unter einer 3-10m dicken Schicht. Rund 18'000 Menschen starben. Das neue Yungay wurde weiter nördlich aufgebaut, beim alten Ort steht eine grosse Gedenkstätte. Durch den Cañon del Pato (Entenschlucht) fahren wir Richtung Küste, die 240km nach Huaraz erreicht ist. Die schmale Strasse durch die enge Schlucht ist imposant und führt durch etwa 40 völlig unbeleuchtete Tunnels.

In der drittgrössten Stadt Perus, Trujillo, können wir uns in einem riesigen Einkaufszentrum in europäischem Stil, wieder mit allem Möglichen eindecken. Ausserhalb der Stadt sehen wir uns zwei weitere Ruinenstätte aus dem 1. Jahrtausend n. Chr. an. Allmählich haben wir genug von alten Steinhaufen und reisen weiter. Nachdem wir während 4 Wochen Jean-Jacques und Martine öfters getroffen haben, verabschieden wir uns wohl für längere Zeit. Sie fahren nun entlang der Küste nordwärts, während wir wieder in die Berge ziehen. Über den ersten Pass mit  3212m kommen wir nach Cajamarca auf asphaltierter Strasse gut voran. Danach geht es weiter auf einer teilweise sehr schlechten, nassen und lehmigen Naturstrasse mit vielen Baustellen und Wartezeiten. Für die 50km nach Celedin benötigen wir fast 7 Stunden.

In Celendin treffen wir Susan, eine seit 7 Jahren hier mit einem Peruaner verheiratete Holländerin. Sie hat in der Kleinstadt eine Selbsthilfegruppe für Eltern mit Kinder mit Down-Syndrom gegründet. In der Umgebung gibt es keinen Arzt, der weiss wie man mit solchen Kindern umgeht und Lima ist weit weg und für die Leute hier viel zu teuer. In der sehr patriarchalen Gesellschaft (Machos) ist es sehr ungewöhnlich, dass eine Frau solche Aktivitäten entwickelt. Das Gespräch mit ihr in  ihrem Haus war sehr interessant und hat uns viel über das Leben im peruanischen Hochland vermittelt. So sind hier auf dem Land etwa folgende Löhne üblich, umgerechnet von Nuevo Sol in sFr: Ein Lehrer 300 bis 600 sFr pro Monat, eine Hausangestellte 100 bis 150 sFr. pro Monat, ein Bauarbeiter 10 sFr. pro Tag (kaum feste Anstellung deshalb im Tagelohn), Landarbeiter 3 bis 3.50 sFr pro Tag. Im Vergleich dazu kostet ein Mittagessen auswärts mindestens 1.50 sFr.

Über Celendin verhängte die Zentralregierung in Peru vom 3. Juli bis 4. September 2012 den Ausnahme-zustand. Seit November letzten Jahres befindet sich die Region im Widerstand gegen das geplante Gold- und Kupferbergwerk »Minas Conga«, das in einem wichtigen Wassereinzugsgebiet durch das USA-Unternehmen Minera Yanacocha errichtet werden soll. Fünf Tote waren die Folge brutaler Polizei- und  Militärübergriffe gegen Protestierende der betroffenen Bevölkerung. Es ist interessant diese Dinge von einer Bewohnerin zu hören, die hier lebt und gesehen hat, wie das Militär auf die Bevölkerung schoss. Genau an der Stelle vor ihrem Haus, wo wir übernachten und Susans Wifi für das Internet benutzen dürfen.

Nach Celendin geht es zunächst hoch auf 3134m und dann hinunter auf 822m. Nur um die Brücke über den Rio Marañón zu überqueren und gleich wieder hoch auf 3680m um in Chachapoyas auf 2300m in einem sehr fruchtbaren Tal anzukommen. Bevor wir mitten in Chachapoyas in einem bewachten Parkhof übernachten, machen wir einen Abstecher nach Kuélap zu den Ruinen einer Festung aus dem 12. Jahrhundert. Margrit geht die letzten 2km ab dem Eingang alleine, mit dem Rollstuhl kommt man da nicht hin. Aber die schlechte Strasse, 35km oft steil aufwärts bis zum Eingang, ist auch ein Erlebnis.

Am 27.Oktober verlassen wir Peru über den kleinen Grenzübergang in den Bergen, hinter San Ignacio und brauchen die üblichen 1.5 Stunden für den Grenzübertritt. Der ecuadorianische Grenzbeamte ist sehr freundlich und heisst uns herzlich willkommen in seinem Land.