Reise vom nördlichen Polarkreis in die Schweiz, 10.9 bis 9.10.2019

Je weiter südwärts wir fahren, desto wärmer wird es. Erstmals seit einigen Wochen liegt am Morgen die Aussentemperatur bei fast 15 Grad. Im Verteidigungsmuseum von Boden wird in einer guten Ausstellung mit deutscher Beschreibung gezeigt, welche Rolle Schweden in früheren und aktuellen Konflikten spielt. So kämpfte etwa Schweden im zweiten Weltkrieg nicht mit den Deutschen, liess es aber zu, dass diese jede Menge Militärmaterial durch Schweden transportierten. Als dann die Stimmung umschlug, schlug sich Schweden zu den Alliierten. Gewisse Parallelen zu einem häufig mit Schweden verwechselten Land. Weiter geht es nach Gammelstad. Die Kirchenstadt besteht aus 408 Häuschen und ist das grösste und besterhaltene Beispiel dieser für Nordskandinavien typischen Art von Besiedlung. Die Kirche wurde 1492 eingeweiht, gebaut aus grossen Natursteinblöcken. Eine erstaunliche Arbeit der damals mit 1500 Personen gering bevölkerten Gemeinde. Die Kirche war auch Richtplatz und Markt, das Zentrum der Gemeinde Luleå. Vor der Reformation waren die Wände reich mit Bildern verziert. Mit der Reformation wurde Schweden lutherisch und die Bilder überstrichen. Die Häuschen um die Kirche dienten als Wohnstätte für die Kirchenbesucher, die aus sehr grossen Entfernungen hierherkamen. Mit der Reformation wurde eine strenge Kirchenbesuchspflicht eingeführt. 1621 wurde die Stadt Luleå am Meer gegründet. Da sich das Land hier kontinuierlich hebt, wanderte die Küste immer weiter ostwärts, und entfernte sich von Gammelstad. Der Erscheinung, dass Land angehoben wird, werden wir ein paar Tage später weiter nachgehen. Zunächst besuchen wir Öjebyn. Eine Kirchenstadt wie Gammelstad. Wesentlicher Unterschied, es ist kein UNESCO Weltkulturerbe. Zwar nicht weniger schön und interessant. Doch es hat viel weniger Besucher und ist in den Reiseführern kaum erwähnt.

 

Wir fahren entlang des bottnischen Meerbusens südwärts. Im Naturschutzgebiet Bjuröklubb widmen wir uns der postglazialen Landhebung. Durch Abschmelzen des Inlandeises nach der letzten Eiszeit verkleinerte sich das Gewicht des Erdmantels an diesen Stellen. Dadurch fliesst unter dem Erdmantel Magma zu und die Erdkruste wird angehoben. So stieg vor 4000 Jahren Bjuröklubb aus dem Meer auf. Das Gebiet besteht aus abgeschliffenen Felsen und durch Gletscher und Meereswogen gerundeten Steinen. Heute beträgt die Landhebung etwa 10mm in 100 Jahren. Im Jahre 1859 wurde ein Leuchtturm erbaut. er war bis 1970 bemannt. Der Leuchtturmwärter war auch für den Wetterbericht zuständig, der seit 1924 täglich im schwedischen Radio zu hören war. Wir erleben die Stelle bei Regen und starkem Wind. Eine Rampe aus Holz führt bis zuoberst zum Leuchtturm. Völlig rollstuhlgängig. 

Zum Thema Landhebung besuchen wir in Ratan einen alten Mareografen. Anders Celsius (nach ihm ist die Temperaturskala benannt) und Carl von Linne (Begründer der Nomenklatur in der Botanik und der Zoologie) haben sich mit der Landhebung in Schweden beschäftigt und haben u.a. in Ratan Markierungen der Meereshöhe in den Felsen eingeritzt. 1892 wurde der Mareograf gebaut, der erst 1965 durch einen moderneren ersetzt wurde. Wir können das gut erhaltene Häuschen ansehen. Die Landhebung begann vor etwa 10'000 Jahren und wird noch weitere 500 Jahre dauern.

 

Bei Umeå, genauer in Holmsund, verlassen wir Schweden und lassen uns von der Fähre ins finnische Vaasa bringen. Die Überfahrt dauert 4½ Stunden. Vaasa empfängt uns mit strömendem Regen bei 10 Grad. Nach Norwegen und Schweden müssen wir uns wieder an die aggressivere Fahrweise und Überholmanöver der Finnen gewöhnen. Die Geschwindigkeitsbegrenzung auf Hauptstrassen liegt bei 100km/h. Wir ziehen Nebenstrassen vor und erreichen durch schönes Landwirtschaftsgebiet Ähtäri. Wir fahren zum Zoo. Riesige Parkplätze lassen erahnen, wieviele Leute es hier während der Saison hat. Am ersten Tag besuchen wir den grosszügig ausgelegten Zoo. Die Tiere haben Auslauf und können sich verstecken. Es hat braune Pandabären, Füchse, Bären, Eulen, Bison, Rentiere, Elche, Rehe, Schneeleoparden. Da unser Eintritt 2 Tage gültig ist, übernachten wir ganz in der Nähe am See und besuchen tags darauf das Schneepanda Haus. Zwei Pandabären sind im grosszügigen Haus mit Aussengehege. Der eine schläft niedlich, der andere ist am Bambusblätter fressen, seine ausschliessliche Nahrungsquelle.

 

Wie schon in Norwegen und Schweden, ist auch in Finnland die Sommersaison zu Ende. Viele Museen sind geschlossen. Davon nicht betroffen sind die Museen in der Stadt Tampere. Das bewegt uns, nicht entlang der Küste sondern im Innern von Finnland weiter südwärts zu fahren. In Tampere fahren wir zum Museumszentrum Vapriikki. In der früheren Maschinenbaufabrik Tampella Oy wurde im Jahre 2000 ein schönes Ausstellungsprojekt der Stadt eröffnet. Wir schauen uns das gut gemachte Postmuseum, das Medienmuseum und das Stadtmuseum Tampere ausgiebig an. Etwas weniger aufmerksam besuchen wir auch das Mineralienmuseum, Kriegesmuseum, Naturhistorische Museum und das Eishockeymuseum. Ein Museumsangestellter hat unser Auto gesehen und die Routen auf dem Internet angeschaut. So ergibt sich ein netter Kontakt und später kommt eine Angestellte des Museums um Fotos von uns und dem Duro zu machen. Sie will uns in sozialen Medien über ungewöhnliche Museumsbesucher erwähnen. Im Gegenzug erhalten wir einen guten Tipp, wo im Stadtzentrum wir ruhig übernachten können.

 

Auf dem weiteren Weg nach Helsinki besuchen wir in Kalvola die Glashütte Iittala. Zunächst erlaubt uns das Personal den Zutritt direkt in die Fabrikhalle. Danach hilft uns ein Angestellter die Treppe hinauf auf die Zuschauer-terrasse. Von da können wir den Leuten bei der Arbeit des Glasblasens zuschauen. Es gibt mehrere Produktionslinien. Teils halbautomatisch, teils manuell. Sehr interessant zu sehen, wie die Produkte entstehen. Eine Produktionslinie erstellt grosse Glasformen, die ähnlich einer Vase aussehen. Später sehen wir im Verkaufslokal, es werden daraus elektrische Lampen. Die Herstellung ist schwierig. Etwa einer von drei Rohlingen landet bei der Produktion im Ausschuss. Entsprechend dann der Preis der Lampe, 559 €. 

 

Neben den drei Skisprungschanzen besuchen wir in Lahti die Sibelius-Halle und das Radio-TV Museum. Es ist das ehemalige Sendegebäude des finnischen Langwellensenders der 1927 den Betrieb aufnahm. Wie in zahlreichen anderen Ländern waren auch in Finnland Langwellensender die ersten Rundfunksender die in Betrieb gingen. Der 1990 zuletzt auf 252 kHz arbeitende Sender hatte seit 1953 mit zwei je 100 kW starken Sendeeinheiten insgesamt 200 kW und war aufgrund der günstigen Ausbreitungsbedingungen über der Ostsee vor allem in den Abendstunden auch in Norddeutschland zu empfangen. Der BBC Langwellensender von 1964 steht noch dort und ist schön ausgestellt. Er wurde am 31. März 1993 stillgelegt, nachdem Yleisradio beschlossen hatte, die Ausstrahlung von Rundfunk-Programmen auf Langwelle einzustellen.

 

Unser letzter Besuch in Finnland gilt Helsinki. Da besuchen wir zuerst das Sea Life. Es hat nur wenig Besucher. So können wir in Ruhe die Aquarien mit den Fischen, Seesternen usw. anschauen. Es ist schön und informativ gemacht. Die nächsten drei Nächte stehen wir im Rastilla Camping. Da waren wir bereits zu Beginn unserer Reise und haben anfangs Juli dort Bernadette, Benjamin und Basil getroffen. Von da aus kommen wir bequem mit der U-Bahn ins Stadtzentrum. Da werden wir am Hauptbahnhof betreffend Rollstuhlgängigkeit stark enttäuscht. Von der U-Bahn gibt es gerade mal einen Lift nach oben. Und der ist seit Monaten wegen Wasserschadens ausser Betrieb. Helsinki zeigt sich uns weniger behindertenfreundlich als wir sonst Finnland kennen gelernt haben. Das betrifft aber nicht die Bibliothek. Die am 5. Dezember 2018 eröffnete Zentralbibliothek in Helsinki mit dem schönen Namen Oodi – zu Deutsch Ode – setzt Massstäbe für moderne Bibliotheken. Der 100 Millionen Euro teure und 17´150 Quadratmeter umfassende Bau, ist auf beeindruckende 2,5 Millionen Besucher pro Jahr ausgelegt. Im Bau enthalten ist nicht nur die eigentliche Bibliothek, sondern auch Fotostudio, Kino, Auditorium und Ausstellungsmöglichkeiten. Nur ein Drittel des Raumprogramms dient dem Aufstellen von insgesamt 100.000 Medieneinheiten. Was auf der obersten Ebene laut Architekten als ein „Buchhimmel“ in Szene gesetzt wurde, prägt auch die beiden unteren Ebenen. Überall gibt es unterschiedliche Sitzmöglichkeiten um in den Büchern zu schmökern, das freie WLAN zu benutzen oder an den Computern zu arbeiten. Die grosse Aufschrift beim Eingang gefällt uns:

 

Jeder hat das Recht, in der Bibliothek zu sein.

Herumhängen ist erlaubt, ja sogar erwünscht.

Rassismus und Diskriminierung haben in dieser Bibliothek keinen Platz.

 

 

Am 29. September fahren wir auf die Fähre Helsinki – Travemünde. Im Gegensatz zur Hinfahrt ist sie nur etwa halb voll. Die Überfahrt ist ruhig. Es ist bewölkt, hie und da regnet es. Trotzdem geniessen wir es, auf Deck zu stehen und zu sehen, wie Land und Wasser vorbeiziehen. Am 30. September kommen wir um 22:30 Uhr in Deutschland an. In Lübeck wissen wir von einem Parkplatz beim Schwimmbad, wo wir die Nacht verbringen können. Weiter geht es nach Delmenhorst. Dort war die Norddeutsche Wollkämmerei & Kammgarnspinnerei zwischen 1884 und 1981 ein bedeutendes Unternehmen für die Verarbeitung von Wolle und Kammgarn. Heute ist es ein gut gemachtes Museum das die ganze Verarbeitung von der Wolle bis zum Garn mit Originalausrüstung zeigt. Neben den Maschinen wird auch viel vom Leben der ArbeiterInnen gezeigt. Dazu gehört deren Armut, Ausnutzung, gewerkschaftliche Aktivitäten und Streiks. Bemerkenswert ist eine Aussage des Fabrikbesitzers während eines Streiks: "Eher würde ich die Pferde mit Goldeisen beschlagen lassen als diesen Streikenden mehr Lohn zu zahlen". Im Museum wird auch seine Villa und deren sehr grosszügige Einrichtung gezeigt.

 

Auf unserem Weg südwärts machen wir einen Abstecher nach Wolfsburg. Im VW-Museum präsentiert sich eine schöne Sammlung alter Volkswagen. Dabei auch solche mit Peters Jahrgang. Anschliessend besuchen wir die wenige hundert Meter entfernte Autostadt von Wolfsburg. Futuristische Gebäude zum Thema Auto. Gezeigt werden auch neue (Elektro)fahrzeuge von VW, Audi, Seat, Skoda. Als Kommunikationsplattform des Volkswagen Konzerns zeigt die Autostadt unter dem Motto „Menschen, Autos und was sie bewegt“ die Werte des Konzerns rund um das Thema Mobilität. Unsere Zeit reicht nicht um das ganze, riesige Areal zu erkunden.

 

Der nächste Besuch gilt dem alten Schiffshebewerk Henrichenburg bei Waltrop. Es wurde 1899 eingeweiht und konnte Schiffe 14m hoch heben. Dazu werden sie in einem Trog der 70m lang, 8.8m breit ist und 2.5m Wassertiefe hat. Der Trog ruht auf 5 luftgefüllten Zylindern. Sie sind in wassergefüllten Schächten und deren Auftrieb befindet sich im Gleichgewicht mit dem Trog. Durch zusätzliches Auffüllen bzw. Ablassen von Wasser im Trog hebt und senkt er sich. Der Hebe- und Senkvorgang wird durch 4 Schraubenspindeln unterstützt. Sie gewährleisten auch eine stabile Lage des Trogs. Angetrieben wird das ganze von einem 110kW Elektromotor. Da der Kanal oben keinen Wasserzulauf hat, war das Hebewerk geeigneter als Schleusen. Denn der Wasserverbrauch beim Hebe- und Senkvorgang ist minimal. Vor 40 Jahren wurde der Betrieb eingestellt. Neben dem alten Hebewerk steht das neue Hebewerk, das nach demselben Prinzip arbeitet und von 1962 bis 2005 in Betrieb war. Heute noch in Betrieb ist die moderne Schleuse von 1989. Dabei handelt es sich um eine sogenannte Sparschleuse mit 2 Sparbecken die den Wasserverbrauch reduzieren, indem das Wasser beim Absenken nicht abgelassen sondern in Becken gespeichert wird. Beim Aufsteigen wird dann das Wasser wieder eingelassen und hochgepumpt.

 

Entlang von Rhein und Mosel fahren wir weiter Richtung Schweiz. Ein letzter Abstecher führt uns im Saarland nach Fell. Das Besucherbergwerk Barbara-Hoffnung – im Nossertal zwischen Fell und Thomm – besteht aus zwei übereinander liegenden typischen Dachschiefergruben (Bergwerken) aus der Jahrhundertwende. Als Rollstuhlfahrer dürfen wir bis zum Eingang des Bergwerkes mit dem Duro fahren. Dort kann Peter die gut gemachte Ausstellung anschauen, während Margrit an der Führung durch die Stollen teilnimmt. Ein sehr schön gemachtes Bergwerkmuseum, mit nettem Personal das ehrenamtlich arbeitet.

 

Eine museale Überraschung erleben wir an unserem letzten Übernachtungsplatz in Deutschland. Als wir zum Gemeindestellplatz von Elmstein fahren, ist gerade ein Nostalgiezug mit Dampflokomotive eingefahren. Durch die Pfalz fahren wir weiter nach Basel und kommen am 9. Oktober wohlbehalten in Brunnen an.

 

 

Das war unsere Reise in den Norden Europas. Wir sind dankbar, eine solche Reise machen zu dürfen. 

Viel konnten wir sehen und erleben, trotz mittelmässigen Wetters. Von Krankheiten, Unfällen und Pannen sind wir verschont geblieben. All das wissen wir zu schätzen. Das Leben und Umfeld vieler netten Leute lernten wir kennen. Sehenswürdigkeiten, Landschaften, Erlebnisse, Fakten und Zusammenhänge haben uns sehr bereichert.

 

Beide haben wir die Zeit genossen und das enge Zusammenleben hat uns weiterhin fest miteinander 

verbunden. Das Abenteuer hat sich gelohnt und wir sind um viele Erfahrungen reicher geworden.

 

 

Weitere Zahlen zu unserer Reise:

    • Anzahl Tage unterwegs: 98

    • Anzahl verbrachte Nächte im Reisemobil: 95

    • Anzahl Nächte auf Campingplatz: 9

    • Anzahl Nächte auf kostenpflichtigem Stellplatz: 3

    • Gefahrene km mit Duro: 12'388

    • Verbrauchte Liter Diesel: 2486

    • Durchschnittlicher Preis in sFr. pro Liter Diesel: 1.27

    • Gefahrene km mit Rollstuhl: 321

    • Tiefste Aussentemperatur: -2 Grad

    • Höchste Aussentemperatur am Schatten: 35 Grad

    • Anzahl besuchte Länder: 5